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Der Bau der Eisenbahnen machte auch entlegene Gebiete für die Industrialisierung nutzbar. Die Kehrseite davon beschreibt etwa Peter Rosegger in seinem Roman Jakob der Letzte: Er kritisiert die Abwanderung der Bauern und deren Eintritt als Arbeiter in die großen Stahl- und Eisenindustrien im Steirischen Mürztal.
Im Heimgarten beschreibt er den technologischen Fortschritt seiner Zeit:
„Ich wundere mich, dass ich mich nicht wundere über die märchenhaften Erfindungen unserer Zeit. In der Zeit eines Menschenlebens haben sich Veränderungen zusammengedrängt, wie sie sonst Jahrhunderte bedurften zur Entwicklung. Und doch kann sie ein Menscheinleben ganz bequem fassen: Das elektrische Licht, die elektrische Bahn, das Zweirad, das Automobil, das Luftschiff, die Röntgenstrahlen, das Telefon, … usw. Lauter Dinge, die in meiner jüngeren Zeit nicht da waren, die ich werden sah, und die jetzt alles Treiben ändern, die Welt erfüllen und die mir so gewöhnlich, so selbstverständlich sind, als ob sie immer da gewesen wären.“
Die großen Veränderungen in so kurzer Zeit haben die Menschen beschäftigt und dies wurde in Liedern thematisiert und auch kritisiert. Bereits 1865 veröffentlichte Vinzenz Maria Süß zwei Vierzeiler zum Thema Eisenbahn – einer sei hier angeführt:
„Wann i koa Geldt nit hån,
Geih i zar dar Eisnbån.
Dochts kemmant’s alsåmt z’såmm.
Dö koan Geldt håmm.“
Franz Kahr zeichnete den Vierzeiler 1907 in Schladming in ähnlichem Wortlaut auf, einen weiteren frühen Nachweis gibt es von Johann Gollob, der den Text vom Knecht Matthias Schopf in Fisching bei Knittelfeld 1915 aufzeichnete.
Die Eisenbahn und die Schulden
Der Eisenbahnbau beschäftigte eine Vielzahl an Männern, die nicht mehr in der Landwirtschaft als Knechte tätig sein konnten. Doch er kostete viel und deshalb wird in den Liedern auch immer wieder das Thema „Schulden“ angesprochen. Davon erzählt auch das Lied „Die Eisenbahn“ aus dem 1892 handgeschriebenen Liederbuch der Walpurga Mauskoth, welches Konrad Mautner (1880–1924) in Gössl 1910 erhielt.
Eine Variante mit dem Titel „Und wegn den vielen Eisenbahnen …“ zeichneten Karl Liebleitner (1858–1942) und Leopold Raab (1868–1937) 1911 in Mürzhofen auf. Gesungen wurde sie von den Geschwistern Mitzi und Kathi Griesenhofer (STVLA Mappe 101, 52). Hier wird in der dritten Strophe die Bahn nicht nach Aussee, sondern „ins Böhmische“ geführt.
Im handschriftlichen Liederbuch des Vitus Lasser aus Niederöblarn, welches 1991 an das Steirische Volksliedarchiv kam, findet sich „Die Eisenbahn“ ebenfalls. Ergänzt ist es hier mit der Angabe „Das Lied entstand zur Zeit des Eisenbahnbaues so um 1876“. Er singt dazu den Refrain „Der Dampf“. Dieser ist ansonsten als eigenständiges Lied überliefert, könnte aber durchaus aus der selben Zeit stammen.
Technische Neuerungen versetzen damals wie heute die Menschen in Angst vor der Zukunft. Das findet sich auch in den Liedern wieder.
Kritik an der neuen Zeit
„Der Dampf“ spart nicht mit Kritik an den Erneuerungen durch die Dampfmaschine. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende und in ganz Österreich aufgezeichnete Lied preist einerseits den Fortschritt, allerdings zeigt es auch, dass nicht alles durch die Maschine gelöst werden kann und bringt es fast parodistisch auf den Punkt.
1907 zeichnete Viktor Zack (1854–1939) das Schnadahüpfl-Lied „Neumarkt is da Stadtl, Marein is a Stadt“ auf. Er gibt dazu den Hinweis: „Zu Ende der 70er Jahre des vorig. Jhrh. [1870] in Übelbach Ger.Bez. Frohnleiten (wahrscheinlich vom Oachbauern Jackl) gesungen“. In der 7.Strophe findet man den Text „Zun Dresch’n a Maschin u. zun Koch’n an Spårherd damit daß die Bäurin net ruaßiger werd.“ Eine Variante dieser Strophe befindet sich auch im Lied „Die Neuzeit“.
Agnes Stock (1843–1927) zeichnete „Die Neuzeit“ mit ihrem Sohn Peter in Lassing auf und sandte es 1912 an den Steirischen Arbeitsausschuss. Das Lied beschreibt die Neuerungen der Zeit, die nicht besonders positiv gesehen werden. Angefangen vom breiten Weg in den Himmel, über die Ersparungen der Bauern in der zweiten Strophe („die Bauern wern a schon recht witzig und gscheid // sie brauchn holt a schon viel weniger Leut // zan Treschn a Maschin // zan Holzsporn a Herd, // damit das die Köchin nit ruasiga wird“), die Eisenbahn in der dritten Strophe („Und dEisnbahn kimt ma schon für korios, // send a 40 a 50zg Wagn und sie brauchn koa Roß, // Wos voron-aus ist, hoaßt Lokomotif // a so kann ma sehn en Leute an Pfief“).
In der vierten Strophe geht es um das Telefon („Da kupferne Drot is a woltern braf // ist 18 Schuach hoch und der hoßt Telegraf. // Woins z Wean draußt wos neus gibt bei hiaziga Zeit // oft wießn in Insbruck schon glei alle Leut“), die sechste Strophe spart nicht mit Kritik am wirtschaftlichen Zustand („Und wo hiaz dos Geld hinkimmt das woas i schon // – die Leut brauchn alle an schrecklichen Lohn; // in Tabak und Kaffe geht schreäckli vül weck, // und alls geht ins Ausland und mir hobn an Tr…k“). (STVLA Mappe 74, 4)
Eine Variante aus Niederöstereich mit neun Strophen findet man in Bis oan dås Kreuz åbbricht. Dort heißt es in der sechsten Strophe:
Die Beleuchtung in der Stadt, de is hiatzt von Gas,
des is scho eppas außerordentlich rar’s.
Man sieht bei der Nacht schier so viel wie bei Tag,
des is für die Dieb und d’Verliebten ein Schlag.
Die siebte Strophe könnte aus der heutigen Zeit stammen:
Hiatzt haben’s noch d’Maschinen, daß d’arbeit’st alloan,
brauchst hiatzt a koan Nachbar, kannst alles alloan toan.
Nicht oan Ding geht wohl noch in der hiatzinga Zeit,
weder d’Liab, noch die Treu, noch die Aufrichtigkeit.
Auch KI, Facebook und Co. werden bereits in Gstanzln und Liedstrophen verarbeitet. Diese aufzuzeichnen und zu sammeln ist die Herausforderung der Gegenwart. Wahrscheinlich lassen sich durchaus Parallelen zu den in den Volksliedarchiven liegenden Aufzeichnungen aus dem vorigen Jahrhundert finden …
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