GESCHICHTE & ENTWICKLUNG GESCHICHTE & ENTWICKLUNG | LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE SEITE 16 seerland von frühester Jugend an zur zweiten Heimat geworden und hatte seinen Blick für die Alltagskultur der Region geschärft. Sein früher Tod verhinderte die gemeinsame Herausgabe des Trachtenbuches, das von Viktor Geramb schließlich allein vollendet werden musste. Trachtensaal und Trachtenbuch sowie der Beginn der volkskundlichen Trachtenforschung in der Steiermark sind Verdienste von Viktor Geramb, der auch erster Ordinarius für Volkskunde an der Universität Graz war. Die ältere Volkskunde war bemüht, historische Trachtenlandschaften zu definieren und die formalen Unterschiede in den Gewandformen darzustellen. Das Beobachten von regionalen Vorlieben über längere Zeiträume und das Auswerten von archivalischen Quellen und Bildmaterial ermöglichten Aussagen über typische Farbgebung, Materialwahl und Schnittführung. Feststellungen über die Häufigkeit gewisser Merkmale legten fest, was als besonders oder nicht steirisch galt. Anhand dieser Erkenntnisse wurden Merkblätter und Richtlinien erstellt. In der Gegenwart werden diese Regeln oft als einschränkend und bevormundend empfunden. Doch sind sie das Ergebnis langfristiger Beobachtung und sagen nur aus, was in der traditionellen Kleidung in unserem Land charakteristisch oft zu finden ist oder was selten bis gar nicht nachweisbar ist. Wer an diesen Überlieferungen interessiert ist, wird sich zum Teil auch in seiner persönlichen Kleidungswahl daran orientieren; wer seinen momentanen Farb- und Formgeschmack ausleben will oder seine Vorbilder anderswo sucht, für den sind die genannten Richtlinien ohnehin nicht relevant. Mit der Systematisierung der Kleidungsformen, deren regionaler Zuordnung und vergleichenden Studien zur formalen Entwicklung der einzelnen Gewandteile über Jahrhunderte schuf Geramb nicht nur die wissenschaftliche Basis für alle folgenden Initiativen der Trachtenpflege und -erneuerung, er setzte sich auch intensiv dafür ein, dass die Tracht in allen Landesteilen und vor allem auch am Land wieder getragen werden sollte. Das Trachtenbewusstsein und die Palette an differenzierten tradierten Kleidungsformen waren nämlich Trachtensaal des Volkskundemuseums in Graz. Foto: Universalmuseum Joanneum.
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