GESCHICHTE & ENTWICKLUNG LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE | GESCHICHTE & ENTWICKLUNG SEITE 21 Tracht hat einen regionalen Hintergrund, steht für Identität und Herkunft und ist in Überlieferung und Geschichte verwurzelt. Das Bewusstsein um die besondere Bedeutung der Tracht begann mit Erzherzog Johann (1782–1859) und seinem Bestreben, das Leben der bäuerlichen Bevölkerung in der Steiermark zu dokumentieren. Zugleich wirkte seine persönliche Vorliebe für das Steirergewand vorbildhaft auf die Bevölkerung und verstärkte die Verbreitung und Wertschätzung der Tracht. Die Trachtenbeschreibungen und -darstellungen aus der Zeit Erzherzog Johanns geben uns bis heute wichtige Einblicke in die Ausführungen und Entwicklungen der steirischen Tracht. Viktor Geramb (1884–1958), Gründer des Volkskundemuseums in Graz, setzte im beginnenden 20. Jahrhundert – gemeinsam mit Konrad Mautner (1880– 1924) – einen weiteren Meilenstein in der volkskundlichen Trachtenforschung. Auf Basis ihrer umfassenden Rechercheund Sammlungstätigkeiten erschien in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts schließlich das »Steirische Trachtenbuch«1 in zwei Bänden. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse war es Viktor Geramb ein Anliegen, mit dem Volkskundemuseum samt dem Heimatwerk – im Sinne der angewandten Volkskunde – auch volksbildnerisch zu wirken. So wurde beispielsweise im Jahr 1936 unter seiner Leitung das Heft »Zeitgemäße Steirertrachten« herausgegeben, das sich als praktischer Behelf mit zahlreichen Abbildungen direkt an die Bevölkerung richtete. Die Zielsetzung dieser Publikation erklärt Viktor Geramb in seinem Vorwort wie folgt: »Worauf es uns dabei ankommt, ist folgendes: Wir wollen den vielen Missverständnissen wirksam entgegentreten, die mit dem Begriff ›Trachtenpflege‹ teilweise in gutgemeintem Eifer, teilweise auch aus rücksichtsloser Geschäftigkeit immer noch und immer wieder neu verbunden werden. Trachtenpflege ist weder ein zeitwidriges Aufwärmen alter längst abgelebter Formen der Vergangenheit, noch eine bewusste Uniformierung eines Bevölkerungsteiles mit einer behördlich bestimmten Einzelform; am allerwenigsten aber ist sie ein geschäftstüchtiges Drauflos-Erfinden von theatralisch wirkenden ›Älpler-Kostümen‹. Wirkliche Tracht ist lebendiges Leben! Sie hat sich zu allen Zeiten immer dem Lebensrhythmus, den Menschen, Gesichtern und Gesten der jeweiligen Gegenwart angepasst. Sie hat die neuen Gestaltungen stets ›lebend entwickelt‹, in behutsamer Weiterführung (nicht im starren Festhalten!) erprobter vergangener Formen. Eine zeitgemäße Tracht – und nur eine solche hat die Möglichkeit, wirklich lebendige Tracht zu sein! – muss den Menschen der Gegenwart, muss dem Rhythmus und den Lebensformen der Zeit zu Gesicht stehen; sonst wird sie eine aussichtslose und törichte Maskerade, bestenfalls eine ›Sommerfrischlermode‹, die von vornherein zu raschem Absterben verurteilt ist. … Es war daher die bewusste Absicht bei der Schaffung dieses Heftchens, keine historischen Steirertrachten, mögen diese auch noch so schön geDER KONTINUIERLICHE ERNEUERUNGSWEG DER STEIRISCHEN MÄNNERTRACHT VONHUBERT FINK 1 Konrad Mautner und Viktor Geramb, Steirisches Trachtenbuch, 2 Bde., Graz 1932–1935.
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