LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE - Die steirischen Männertrachten

GESCHICHTE & ENTWICKLUNG LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE | GESCHICHTE & ENTWICKLUNG SEITE 23 wesen sein, sondern nur solche zu zeigen, die heute getragen werden. Diese Steirertrachten … – und das ist das Schöne daran und das ist dem Wirken Erzherzog Johanns zu verdanken –, sie werden in Stadt und Land ohne Standesunterschied getragen und sind gerade auch darin wahrhaftig zeitgemäß im besten Sinn des Wortes.«2 Der von Viktor Geramb eingeschlagene volksbildnerische Weg, der eine Trachtenerneuerung im Sinne einer sensiblen, zeitgemäßen Weiterentwicklung überlieferter Grundformen forciert, wurde im Erzherzog-Johann-Jubiläumsjahr 1959 mit der Veröffentlichung der Mappe »Steirische Trachten« fortgeführt. Initiiert von Hanns Koren (1906–1985), herausgegeben vom Steirischen Volksbildungswerk und – im Bezug auf die Männertrachten – unter Mitarbeit des Volkskundlers Sepp Walter (1915–2005) sowie des Frohnleitner Schneidermeisters Lois Pregartbauer (1909–2003) entstand diese bekannte und weitverbreitete Mappe, die auf 20 Bildtafeln Zeichnungen regional zugeordneter Trachten zeigt sowie Kurzbeschreibungen der einzelnen Trachten beinhaltet. Nicht zuletzt an dieser Publikation sieht man, dass die Trachtenerneuerung immer ein gemeinsamer Prozess war, der sich im Zusammenwirken von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Schneiderinnen und Schneidern sowie der engagierten Bevölkerung entwickelte. Eine gewisse Abgrenzung zur sogenannten »Trachtenmode« und zur Fertigung in Konfektion war und ist ein steter Begleiter auf dem Weg der Trachtenerneuerung. Wie schon im oben angeführten Vorwort von Viktor Geramb thematisiert, versucht auch Karl Stöffelmayr (1901–1980) vom Steirischen Volksbildungswerk in der sogenannten »Steirischen Trachtenmappe« 1959 eine Unterscheidung von Tracht und Mode zu verschriftlichen: »Natürlich unterliegt auch die Tracht einem steten, aber leisen Wandel. Aber er geht nicht mit den eiligen Schritten modischer Unruhe, sondern er kommt von dem unentwegt geduldigen Bemühen um die Bewäl - tigung der neuen Anforderungen, die jede Zeit und in ihr auch die modischen Erscheinungen immer wieder fordern, aus tastenden Versuchen, aus ernsten Überlegungen und aus der angeborenen Gestaltungskraft.«3 Eine weitere prägende Persönlichkeit in der Geschichte der steirischen Trachtenerneuerung war Gundl Holaubek- Lawatsch (1919–2015). Seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nahm sie verstärkt einen von der Bevölkerung ausgehenden Wunsch nach landschaftsgebundenen Trachten wahr und arbeitete diesem entsprechend an der Erneue - rung steirischer Trachten. Sie war landauf, landab im Sinne der Trachtenerneuerung tätig, beriet mit ihrem Fachwissen unzählige steirische Blasmusikkapellen bei ihrer Einkleidung und gab nicht zuletzt mit ihrem im Jahr 1983 erschienenen Buch »Alte Volkskunst – Steirische Trachten«4 richtungsweisende Impulse. Die wissenschaftliche Forschung als Grundlage sowie die Einbindung der Bevölkerung in die Trachtenerneuerung waren wichtige Grundsätze von Gundl Holaubek-Lawatsch. Zudem war ihr die Mitarbeit steirischer Handwerker – vom Lederhosenerzeuger bis zum Hutmacher und im Speziellen jene der regionalen Schneidermeisterinnen und Schneidermeister – ein besonderes Anliegen in ihrem unermüdlichen Einsatz für die steirische Tracht. Im Jahr 2002 wurde der Wunsch des Landes Steiermark an mich herangetragen, die Funktion des steirischen Trachtenberaters für Männertrachten zu übernehmen. Mit dem Wissen, dass verantwortungsvolle Trachtenerneuerung die gute Kenntnis historischer und regionaler Vorlagen voraussetzt, übernahm ich dieses Amt, das ich bis heute innehabe, mit Freude. Durch meine – bzw. jene meines Vaters, des Schneidermeisters Hubert Fink sen. (1925–2013) – jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Gundl Holaubek- Lawatsch und unsere Mitarbeit an ihrem 1983 erschienenen Trachtenbuch wurde ich schon sehr früh mit dem Gedanken der Trachtenerneuerung vertraut gemacht. Der sensible Umgang mit überlieferten Grundformen und die sanfte Einbindung der Wünsche aus der Bevölkerung bilden die zwei Grundsäulen meines Tuns, ergänzt durch 2 Viktor Geramb im Vorwort zu: Zeitgemäße Steirertrachten, Graz 1936, S. 2–3. 3 Karl Stöffelmayr, Tracht und Trachtentragen, in: Steirisches Volksbildungswerk (Hrsg.): Steirische Trachten, Graz 1959, S. 2 (bekannt auch als »Steirische Trachtenmappe«). 4 Gundl Holaubek-Lawatsch, Alte Volkskunst – Steirische Trachten, Graz 1983.

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