HANDWERKSKUNST HANDWERKSKUNST | LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE SEITE 48 genannt wurden, hielten Ausschau nach neuen Quellen – und entdeckten die edle, hochwertige Wolle des Merinoschafs als Rohmaterial für die Lodenherstellung. Die kürzeste und feinste Wolle liefert das australische Merinoschaf, wobei seine Wolle an den Schultern, an den Flanken und Keulen am feinsten, jene von Nacken, Brust und Bauch minderwertiger ist. Spitzenmerinoschafe tragen vor der Schur bis zu sechs Kilo Wolle am Leib. Nur die vom lebenden Schaf geschorene und erstmals verarbeitete Wolle – und nicht etwa minderwertige Reißwolle – darf sich Reine Schurwolle nennen. Für diese Schur sorgen geübte Profis mit ungeheurer Schnelligkeit, aber immer sehr behutsam. Nur etwa zwei Minuten dauert es, bis die durchschnittlich fünf Kilo schwere Lockenpracht als zusammenhängendes Vlies auf den Boden fällt – manche Scherer schaffen bis zu 350 Schafe in neun Stunden. Heute werden für feinen Tuchloden extrafeine australische Merinowollen verwendet, darunter versteht man Wollen mit einer mittleren Faserfeinheit von 19,5 Mikron oder feiner, die einen seidigen und glänzenden Loden ergeben. Die besten kommen aus dem Gebiet von Geelong im Süden Australiens. Um Aussehen und Charakter des Lodens zu variieren, wird die Merinowolle auch mit feinen Tierhaaren wie Alpaka, Angora oder Kaschmir gemischt. Eine klassische Lodenmischung zum Beispiel besteht aus 80 Prozent Schurwolle und 20 Prozent Alpaka, die in erster Linie für die Herstellung von Strichloden für die weltbekannten Hubertusmäntel verwendet wird. Bei dieser Art von Loden wird die Oberfläche mit Naturdisteln verstrichen, die eine besonders schonende Behandlung des Gewebes gewährleisten. Anschließend werden die Fasern im nassen Zustand in eine Richtung gelegt und fixiert. An einem derart behandelten und wasserabstoßend ausgerüsteten Strichloden kann wie bei übereinander verlegten Dachziegeln das Wasser abfließen – eine ideale Lösung für wetterfeste Kleidungsstücke. Diese Fixierung und Stabilisierung wie auch die ganze Ausrüstung des Lodens beruhen auch heute noch auf alten Überlieferungen und werden ausschließlich mit Wasser, Dampf und Wärme durchgeführt. Loden ist somit von der Faser bis zum fertigen Endprodukt ein reines Naturprodukt. Und bei allen Neuentwicklungen Die feinen Lodenstoffe werden heute in bis zu 90 verschiedenen Farben produziert.
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