HANDWERKSKUNST LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE | HANDWERKSKUNST SEITE 63 19. Jahrhundert.1 Das Federkielsticken leitet seinen Namen vom verwendeten Material ab: Dabei werden die Pfauenfederkiele zu rund 50 bis 60 Zentimeter langen, ganz feinen Streifen geschnitten. Diese gleichmäßig gespaltenen Fäden werden zum Sticken der verschiedenen Ornamente verwendet. Aus einer Pfauenfeder erhält man je nach Breite sechs bis acht Fäden. Den Weg in die Steiermark fanden die prächtig bestickten Federkielranzen zum Großteil von Oberösterreich über die Eisenstraße und von Salzburg aus über den Pongau und den Lungau. DIE ARBEITSABLÄUFE Zuallererst gilt es, einen Entwurf des aufzustickenden Musters, das sich – angepasst an die Wünsche des Kunden – zumeist aus traditionellen Motiven zusammensetzt, zu erstellen. Steht dieser Entwurf fest, wird er auf das Rindsleder übertragen. Nun beginnt die Hauptarbeit des Handstickens. Mit einer feinen Ahle wird Loch für Loch einzeln vorgestochen, danach wird der Faden durchgezogen. So entsteht – in wochenlanger, manchmal auch in monatelanger Arbeit – Stich für Stich das schöne Muster, das den Wert des Ranzens zeigt. Nach dem Sticken wird der Ranzen ausgefertigt, also zusammengenäht. In sehr guten Werkstätten geschieht auch das zur Gänze mit der Hand. Die einzelnen Lederteile werden zuerst eingefasst, miteinander verbunden und vernäht, danach wird die handpunzierte Schließe aus Messing montiert. Die Geldkatze, die sich hinter dem Blattl befindet, wird mit einem Lederriemen verschlossen. Zuletzt wird der fertige Federkielranzen mit einem guten Lederfett behandelt. Er ist vom ersten bis zum letzten Handgriff ein nach Maß und in reiner Handarbeit angefertigtes Einzelstück und verbunden mit der Tracht ein beachtliches Schmuckstück. Auch heute sind handgestickte Ranzen hochgeschätzte Kunstwerke, die zu festlichen Anlässen getragen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. 1 »Nach alten Gewährsleuten verstanden sich noch um 1850 in Aussee der Riemer Godl und der Vater des Försters Pankraz auf die Kielstickerei und verkauften solche Gürtel auch in die Fremde.« In: Michael Haberlandt, Österreichische Volkskunst, Wien 1911, S. 154. Zeugen handwerklicher Perfektion: Blattlranzen als tragbare Statussymbole.
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