HANDWERKSKUNST HANDWERKSKUNST | LAMPAS, GAMS UND SCHNEIDERFLIEGE SEITE 98 Strümpfe sind seit Jahrhunderten gepflegtes, vielbeachtetes Requisit der höfischen, bürgerlichen und bäuerlichen Tracht. Bei keinem anderen gestrickten Bekleidungsstück ist eine so große Vielfalt an unterschiedlichen Musterformen zu finden. Einzelne prägnante Muster sind von Ort zu Ort, von Tal zu Tal – auch über Grenzen hinweg – gewandert. Die Brennende Liabwird beispielsweise in der Schweiz, in Frankreich, Skandinavien und auch in östlichen Ländern genauso gestrickt wie bei uns.7 DAS MODELSTRICKEN Das Stutzenstricken ist eine hoch konzentrierte Arbeit, bedarf Ruhe und Geduld, fünf Nadeln (vorzugsweise in der Stärke 2 ½) und mindestens 60 Stunden Zeit. Wenn ein Fehler passiert, heißt es, Masche für Masche »zurückzustricken«, ein Auftrennen ist fast unmöglich. Aber kleine Fehler sind zugleich Garant für echte Handarbeit. Am schönsten ist das Stutzenstricken natürlich, wenn »jede Masche eine Liebeserklärung« sein darf, denn selbst gestrickte Stutzen waren in früheren Zeiten eine gängige Liebesgabe – und sind es vielleicht auch heute wieder. Schon die Vorbereitung – nämlich das Austüfteln, Berechnen und Auszählen der gewählten Muster (rund fünf bis sieben unterschiedliche Muster sollten es sein) sowie des passenden Wadenkeils – ist sehr aufwendig. Begonnen wird mit der Herstellung des Bündchens, wobei beim Zusammenstricken des Mauszahnrandes8 nicht auf die Öffnung für den Gummi vergessen werden darf, der am Schluss in den Bund eingezogen wird. Nun folgt das sogenannte Modelstricken, also das Stricken der Musterfolgen. Die verkehrten Maschen bilden beim Modelstricken den Ferse und Fußspitze werden glatt gestrickt. 7 Vgl. Lisl Fanderl, Bäuerliches Stricken, Bd. 2, Rosenheim 1975. 8 Mauszahnrand = Bündchen.
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